»Meine Tante Mimi hat geschrieben.« Professor Caprese hielt gestern beim Nachmittagsespresso einen Brief hoch und einen Umschlag.
Ich erinnerte mich. Seine Tante Mimi aus Neapel hatte uns damals auch das Rezept für die Harissa-Möhren zugeschickt.
»Was schreibt sie denn?« Ich war neugierig.
»Ein paar Zeilen an mich und das Rezept zu ihrem orientalischen Auflauf aus Blumenkohl und Zucchini. Oh, den liebe ich.« Er strahlte und erzählte: »Gab es unter uns Kindern lauten Streit in der Straße, läutete Tante Mimi mit einer Glocke am Fenster und rief: ‘Heute gibt es den orientalischen Auflauf. Wer sich prügelt, bekommt nix.’ Sofort war der Streit beendet. Niemand wollte den Auflauf verpassen. Alle warteten geduldig vor ihrem Haus.«
Ich las mir das Rezept durch und war begeistert. Also diese Tante Mimi, die mochte ich.
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Feldsalat mit einer Himbeermarmeladen-Knoblauch-Zitronette, Ofengemüse, getrockneten Pflaumen und Feta
Die ersten Tage im neuen Jahr geht es im Kochlabor eher ruhig zu. Der Professor sitzt in seinem Arbeitszimmer, liest oder schraubt an etwas herum.
Ich experimentiere viel – und lese Bücher, zu denen ich sonst nicht komme.
Caprese hat mir das Buch »Schrödingers Katze« ausgeliehen. Es beginnt mit einer Überlegung von Schrödinger. In einer verschlossenen und nicht einsehbaren Kiste sitzt eine Katze. Neben ihr in der Kiste steht ein physikalischer Apparat. Ein radioaktives Präparat wird irgendwann in der nächsten Stunde den Zerfall eines Atoms erleben…
Ich glaube, an der Stelle bin ich eingenickt und habe das Experiment weitergeträumt. In der Kiste waren nun aber Feldsalat, Suppengemüse, getrocknete Pflaumen und noch ein paar Zutaten. Ein schöner Traum. Als ich aufwachte fühlte ich mich sehr wohl und legte gleich los. Deshalb gibt es heute diesen Salat:-)
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Salat Nykøbing mit einer Aprikosenmarmelade-Zitronette
Wenn ich von meinen Reisen zurückkomme, sind bei Professor Caprese immer die Rolläden heruntergezogen. Er kocht nicht während meiner Abwesenheit. Fertiggerichte mag er nicht und in die von mir empfohlenen Restaurants geht er auch nicht.
Es dauert eine gewisse Zeit, bis er wieder zu mir ins Kochlabor kommt. Mit den Speisen muss ich klein anfangen. Meistens beginne ich mit Crostini oder einem Salat. Kuchen gibt es danach natürlich und auch Espresso.
Nach zwei bis drei Tagen ist alles vorbei. Dann plaudert er wieder drauflos und stellt Fragen. Ach – dann freue ich mich.
Dieses Mal war ich in Dänemark. Deshalb heisst mein Salat auch Nykøbing (Sjælland). Ein kleines Städtchen in Odsherred.
Der Salat übrigens mit Lauchzwiebeln, Tomaten, roten Weintrauben, Hirtenkäse, Knoblauchcroutons und einer Aprikosenmarmelade-Zitronette.
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