Beim Kochen und Backen und überhaupt im Leben kann man sich ja per Fantasie alles erschaffen, was man will.
Übrigens mache ich das auch außerhalb des Kochlabors oft – also mir etwas vorstellen und wieder verwerfen. Bin ich beispielsweise in einem Geschäft für Haushaltswaren und sehe eine Maschine – spiele ich alles durch. Wie ich sie kaufe, sie verwende, ihre Fehler kennenlerne, denke, dass ich sie eigentlich gar nicht gebraucht habe. An dieser Stelle verlasse ich das Geschäft und bin erleichtert. »Herr Grün, das meinen Sie jetzt nicht ernst?« Doch! Probiert es doch mal aus. Das macht Spaß. Die meisten Maschinen braucht man doch gar nicht.
Aber wie bin ich nun vom Flankuchen dahin gekommen? Mh…jetzt weiß ich es. Ich hatte in meiner Fantasie einen Flankuchenladen aufgemacht. Ich glaube, es war in Luxemburg, da war ich kürzlich. Ein kleiner Laden mit kleinen Flankuchen. Schlicht. Ich wollte mir gerade alles ausmalen, da blieb ich an der elektrischen Schiebetür hängen. Also gedanklich. Sie ging immer auf und zu, wenn man zu nahe an ihr stand. Was immer der Fall war. Im Sommer und im Winter. Also, ich konnte mich wegen der Schiebetür kaum auf meinen Flankuchen konzentrieren. Schließlich riss ich mich doch noch los. Und hier ist er: Der kleine Vanille-Flankuchen mit Beeren.
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Beerentarte mit Mürbeteigboden, Johannisbeeren, Blaubeeren, Vanille-Mascarpone-Sahne und Minzblättern
Beim Laufen entdeckte ich in einer Schrebergartensiedlung vor einem Holzhaus eine Kiste Johannisbeeren zum Mitnehmen. Netterweise hatten die großzügigen Bewohner auch Beutel dazugelegt. Ich füllte einen mit den roten Beeren.
Zu Hause angekommen, zeigte ich sie dem Professor, der im Garten saß und mit einem aufgeschlagenen Buch mit dem Titel »Nagomi – Der japanische Weg zu Harmonie und Lebensfreude« vor sich hindöste.
Ich zeigte ihm die wunderbaren Johannisbeeren. Er murmelte etwas, dann war er sekundenschnell eingeschlafen.
Ich hatte im Kochlabor auch noch ein paar Blaubeeren und die Idee zu dieser Tarte:-)
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Italienische Tarte mit Zucchini, Tomaten, Peperoni, Thymian und Rosmarin
Bei der Rezeptentwicklung gehe ich sehr unterschiedlich vor. Es kommt natürlich auch auf das Gericht an. Und auf die Tagesform. Das Wetter. Tatsächlich spielt das Wetter eine große Rolle. Der Sound, der in mir entsteht. Der Rhythmus. Meistens wird er von der Sonne bestimmt. Vom Licht im Kochlabor.
Bei dieser Tarte war es mir wichtig, dass sie nicht mit Hefe gebacken wird. Der Boden sollte kross und leicht sein. Die Vorteile von Mürbeteig mit Hefeteig sollten sich verbinden. Ich mag es, wenn Teig nicht so störrisch ist, wenn ich ihn auswalke. Ihr kennt das sicherlich. Dieses »Zurückschnarren«, wenn man ihn auswalkt. Zäng. Kommt natürlich auch auf das Mehl an. Ich verwende Dinkelmehl 630.
Der Belag mit gewürztem Sauerrrahm. Mit guter Schärfe.
Die Zucchinistücke mit Kräuteröl bepinselt. Fruchtige Datteltomaten, die ich sehr mag.
Die Belegung der Tarte in ungeordneter Symmetrie. Fast ein Widerspruch – aber meistens meine Lieblingsanordnung. Weicher Schafsfeta, der sich beim Backen bräunlich färbt.
»Was meinen Sie mit ungeordneter Symmetrie?« Der Professor stand, während ich durch die Ofenscheibe der Tarte beim Backen zuschaute, hinter mir. Er lächelte mich an.
»Habe ich etwa laut vor mich hingesprochen?« Eigentlich tat ich das fast nie.
»Ja.« Er nickte.
Ich nahm die Tarte aus dem Ofen. Schnitt sie gegen meine Gewohnheit noch im Blech an. Servierte sie. Auf einem Holzbrett. Es war alles genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Und doch besser anders.
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