Um 8.00 Uhr morgens, ich war gerade am Frühstücken, stand plötzlich Professor Caprese im Kochlabor.
»Wo kommen Sie her? Sie sehen sehr müde aus.«
Er stand da mit einer Wolldecke unterm Arm und einer Papptüte in der Hand.
»Ich habe auf dem Markt übernachtet. Ich wollte unbedingt der Erste sein.« Er lachte und hustete dabei etwas.
Er zog einen riesigen Strauß Blattpetersilie aus der Papptüte.
»Signor Grün, ich wünsche mir so sehr Tagliatelle verde.« Dann ließ er sich in den Sessel am Fenster fallen und schlief sofort ein.
Ich deckte ihn mit seiner Decke zu. Dann bereitete ich die Tagliatelle zu. Und eine Idee für die Sauce hatte ich auch schon.
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Steckrübe orientalisch mit Walnuss-Aioli
»Steckrüben wurden letztes Jahr vom VEN* zum Gemüse für die Jahre 2017/2018 gewählt«, meinte Professor Caprese und betrachtete die Steckrübe, die ich auf dem Markt gekauft hatte.
Ich hatte ein besonders schönes Exemplar herausgesucht. Der Strunkansatz sah aus wie eine Blüte. Ich wollte damit ein orientalisches Gericht zubereiten – mit Ingwer und Datteln. Allerdings nicht mit zu vielen Gewürzen. Die Steckrübe ist eher etwas zurückhaltend. Mit zu vielen Spitzen würde man ihren Geschmack in den Hintergrund drängen. Lieber noch etwas Aioli, das man sich nach Gusto auf die Stücke auftragen könnte. Das war der Plan.
Das Aioli wollte ich mit Quitten zubereiten.
Es war schon der 26. September und auf den Märkten gab es noch keine Quitten. ›In zwei Wochen‹, sagten die Händler.
An einem Marktstand gab es aber Quitten. ›Altländer Quitten‹ stand auf dem Schild. Der Händler strahlte stolz.
Zu Hause im Kochlabor stellten sie sich aber, trotz gelber Farbe, als viel zu sauer heraus.
Ich improvisierte und entwickelte das gleich vorgestellte Walnuss-Aioli, was sich als Glückfall herausstellte. Ich mag diese Aioli-Variante sehr gerne.
* Der Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt
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Asiatische Spaghetti Xian – mit Paprika, Ingwer, roter Peperoni und Tomaten
So ein schöner Spätsommertag. Ich hatte Spaghetti Napoli zubereitet – wie der Professor sie mochte.
Ich beobachtete ihn. Er drehte nachdenklich die Gabel in den Spaghetti und brummte vor sich hin.
»Die Chinesen haben die Spaghetti nicht erfunden. Das ist doch Unsinn. Das waren die Neapolitaner. Die Polos hatten die Nudeln von uns – den Neapolitanern. Und weil sie so begeistert waren, hatten sie auf ihren Reisen immer einen ganze Kiste voll Spaghetti mit dabei. Und Pesto natürlich. Ich meine, sie wussten ja gar nicht, was sie kulinarisch auf den Reisen erwartet.«
Ich nickte. »Sie meinen, die Chinesen haben die Nudeln von Marco Polo und nicht umgekehrt?«
»Nein, nicht von Marco Polo, sondern von dem Koch, Silvio Dante. Übrigens auch ein Neapolitaner. Als die Karawane von Marco Polo sich im Jahr 1274 sich auf die Seidenstraßen-Stadt Xian zubewegte, kamen ihnen Reiter als Begrüßung entgegen. Sie wollten unbedingt wissen, was die Venezianer gerne essen. Daraufhin hat Silvio, der Koch, ihnen Spaghetti mitgegeben. Die haben sie dann, so gut sie konnten, selber hergestellt und eine asiatische Sauce dazu gekocht. Die Spaghetti heißen übrigens… Mh, jetzt habe ich den Namen vergessen. Ist auch egal. Aber so war es. Ich schwöre es, Signor Grün.«
Natürlich hatte Caprese alles erfunden. Das war sicher. Auch der Name des Kochs. Ich kannte ihn irgendwo her. Aber ich hakte nicht nach, denn das Thema hatte Zündstoff.
Ich entwickelte ein paar Tage später diese Spaghetti, mit einer Sauce aus orangener Paprika, roter Peperoni, Ingwer und Tomaten und nannte sie »Spaghetti Xian«.
Ich werde sie bei Gelegenheit dem Professor vorstellen – werde aber noch etwas warten, bis sich die Wogen zu dem Thema geglättet haben.
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