Um Punkt 12.30 klingelte Professor Caprese an der Tür. Er war sehr maritim angezogen. In der Hand hielt er ein Buch. Ein großer Bildband über die Atlantikküste Frankreichs. »Schauen Sie mal. Diese Gegend liebe ich: Das Charente Maritime.« Er strahlte mich an. Er erzählte mir von einem Freund – auch ein Roboterkonstrukteur –, er warf eines Tages alles hin und zog nach Paris. »Schauen Sie, er hat ein Restaurant eröffnet. An der Place d’Italie. Es heißt Cici. Er mag Zitronen. Die Karte ist von ihm.« Er tippte mit dem Finger auf eine Postkarte, die zwischen den Buchseiten steckte. Ein Mann stand vor einem kleinen Restaurant und winkte lächelnd in die Kamera. Ich nahm die Karte heraus und betrachtete die Rückseite. Sie war von 1956. »Aber die Postkarte ist ja aus den 50ern.« Er winkte ab. »Ach, Herr Grün, Sie nehmen immer alles so genau.«
Also dieser Caprese. Aber die Geschichte war gut. Sie gefiel mir.
Ich hatte uns Mangold mit Spaghetti gekocht. Dazu eine Zitronen-Kapern-Senfsauce. Ich nenne sie Sauce Cici. Sie wissen schon.
…
Couscous mit gebratenen Auberginen und Senf-Datteln
Wenn es etwas wärmer wird, stehe ich gerne am offenen Fenster des Kochlabors, genieße die Sonne, trinke einen Espresso und esse Kuchen dazu.
In der letzten Zeit klingelt immer häufiger der Paketbote an der Tür. Von überall her schicken die Menschen mir Pakete mit Zutaten: Balsamico, Senf, Pasten, Brotaufstriche, Salze und sogar Geschirr und Besteck …
»Herr Grün, könnten Sie das wohl mal probieren und dieses Mal testen.« Das tue ich gerne und schreibe auch zurück. »Ja, ihr Schabziegerkleesenf ist herrlich. Er hat eine eigenwillige und pikante Note. Sehr delikat. Der Himbeerbalsamico ist …«
Jedenfalls freue ich mich, dass man meinem Urteil vertraut.
Heute war es aber ruhig.
Professor Caprese stand mit Luigi in seinem Garten und winkte mir zu. Was sie taten, konnte ich nicht erkennen.
Plötzlich hielt der Professor wie aus dem Nichts zwei Auberginen hoch.
»Signore Grün, schauen Sie mal, sind sie nicht schön? Wollen Sie heute Abend etwas mit ihnen kochen? Was meinen Sie?«
»Ja, gerne«, rief ich ihm zu. Ich wusste, dass er sie auf dem Markt gekauft hatte. Er tat aber so, als seien sie aus seinem Garten. Ein Schauspiel mit Tradition, das ich lustig fand. Typisch Caprese halt.
Ich blätterte also in meinen Rezepten und fand dieses hier: Couscous mit gebratenen Auberginen und Senf-Datteln
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Selbst gebackenes Ficelle mit Oregano-Nuss-Pesto, Tomaten, roten Zwiebeln und Rucola
Um 1 Uhr morgens klingelte das Telefon. Es war Professor Caprese. »Signor Grün, habe ich Sie geweckt? Ich bin gerade beim Packen. Ich fahre gleich morgen mit dem Zug nach Neapel. Es ist nämlich so … « Er erzählte mir von seiner Tante Lucia – sie besaß ein Grundstück mitten in Neapel und nun wolle die Stadt … Aber das Fatale sei, dass sein Cousin, der in Kalabrien eine Wohnwagenfabrik besitze … und der Onkel von Lauro, der wiederum in der Politik sehr engagiert sei, wenn auch noch nicht erfolgreich, aber doch sehr vielversprechend, das heißt noch ohne Einfluss, aber wie gesagt … Um 1.30 Uhr, Professor Caprese meinte gerade, dass er Flugangst habe und deshalb mit dem Zug fahre, da fragte ich nach: »Wie kann ich Ihnen helfen, Herr Caprese?«
Dann war es eine Weile ganz still. Ein Räuspern. »Signor Grün, per favore, könnten Sie mir zwei bis drei von Ihren Ficelle zubereiten. Für die Fahrt. Das wäre eine große Hilfe. Eine unbeschreibliche Unterstützung.« Ich schüttelte den Kopf und sagte zu. Gleich ging ich ins Kochlabor. Hefeteig für die Ficelle, etwas von dem selbst gemachten Oregano-Nuss Pesto, Tomaten, rote Zwiebeln, Rucola und eine schöne italienische Vinaigrette.
Dieser Caprese – dafür musste er mir aber salzige Kapern mitbringen.
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