»Meine Tante Mimi hat geschrieben.« Professor Caprese hielt gestern beim Nachmittagsespresso einen Brief hoch und einen Umschlag.
Ich erinnerte mich. Seine Tante Mimi aus Neapel hatte uns damals auch das Rezept für die Harissa-Möhren zugeschickt.
»Was schreibt sie denn?« Ich war neugierig.
»Ein paar Zeilen an mich und das Rezept zu ihrem orientalischen Auflauf aus Blumenkohl und Zucchini. Oh, den liebe ich.« Er strahlte und erzählte: »Gab es unter uns Kindern lauten Streit in der Straße, läutete Tante Mimi mit einer Glocke am Fenster und rief: ‚Heute gibt es den orientalischen Auflauf. Wer sich prügelt, bekommt nix.’ Sofort war der Streit beendet. Niemand wollte den Auflauf verpassen. Alle warteten geduldig vor ihrem Haus.«
Ich las mir das Rezept durch und war begeistert. Also diese Tante Mimi, die mochte ich.
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Herr Grüns Ostermenü 2018
»Was wünschen Sie sich eigentlich zu Ostern?« Caprese nippte an seinem Espresso und schaute dabei aus dem Fenster. Draußen schneite es.
»Schenken wir uns denn etwas ?« Das war mir gar nicht klar.
»Ich schenke Ihnen etwas. Sie kochen das ganze Jahr über. Sie dürfen sich etwas wünschen. Was Sie wollen. Alles ist möglich.« Er lächelte mich an.
Ich überlegte. »Ich würde so gerne nach Italien. Aber das geht ja wohl nicht.« Ich seufzte. Italien, das wäre es jetzt. Umbrien – oder die Toskana oder sogar Sizilien.
»Mal schauen.« Der Professor schaute mich vieldeutig an.
Tja – was wohl passieren wird? Man weiß ja nie bei dem verrückten Neapolitaner.
Was machen Sie an Ostern? Vielleicht kochen Sie ja mein Ostermenü. Das würde mich freuen.
Ich wünsche Ihnen wunderschöne Ostern.
Das Herr Grün Ostermenü 2018:
Kartoffel-Lauch-Suppe mit Schlagsahne und Zuckerrübensirup
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Gebratener Grüner Spargel mit Estragon-Marsala-Sauce auf Omelette
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Möhrenkuchen mit Schokoladenstückchen und selbst gemachtem Möhrenkrokant
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Fenchel mit knuspriger Ingwer-Haselnuss-Kruste
Die Kochlabortür wurde aufgerissen und Luigi stürmte herein. Er drehte sich kurz zu mir um, dann ließ er sich auf den Boden fallen, schob sich unter den Esstisch und schaltete sich mit einem leisen Piepen ab. So ein Verhalten hatte ich noch nie bei ihm beobachtet.
Ich rief den Professor an.
»Er liegt unter dem Tisch. Man hört nichts mehr. Ja, er hat sich komplett abgeschaltet.« Ich war aufgeregt.
Zehn Minuten später stand Professor Caprese im Kochlabor. Er beugte sich hinunter zu dem kleinen Roboter und öffnete seine Brustklappe.
»Das haben wir gleich. Er muss etwas gesehen haben, das er nicht kannte und das ihn sehr erschrocken hat. Dann schaltet er sich manchmal ab.«
Caprese schaute sich die Bilder von Luigis Kopfkamera an und schmunzelte.
»Signor Grün, da, schauen Sie.« Ich sah auf einem kleinen Bildschirm ein Foto von einem Eichhörnchen mit weit aufgerissenen Augen, das eine Haselnuss in den Vorderpfoten hielt. Das hatte Luigi also gesehen.
Der Professor schaltete den kleinen Roboter wieder ein, erklärte ihm, dass Eichhörnchen harmlos seien und er nichts von ihnen zu befürchten habe. Luigis Kopflampe drehten sich und er summte zufrieden.
Es war wieder alles in Ordnung. Ich war sehr erleichtert, und das Erlebnis inspirierte mich wenige Tage später zu diesem Gericht. Ich kochte es gemeinsam mit Luigi und erzählte ihm nebenbei vom Leben der wunderbaren Eichhörnchen.
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