Heute brachte Professor Caprese ein leeres Marmeladenglas mit, das mit einem Aufkleber versehen war. Was darauf stand, wollte er mir noch nicht sagen.
»Zuerst möchte ich Ihnen eine Geschichte erzählen. Ein Ingenieur, der aus Umbrien stammte, nennen wir ihn Luca, arbeitete einige Jahre in Finnland in einem Wasserkraftwerk. Es gefiel ihm gut. Die Arbeit machte ihm Spaß. Aber er hatte auch Heimweh. Ganz starkes Heimweh. Sie wissen schon.« Er schaute mich fragend an. Ich nickte.
»Also, Luca hielt das Heimweh nicht mehr aus und ging zum Arzt. Der gab ihm den ungewöhnlichen Rat, bei jedem Umbrienbesuch ausreichend leere Marmeladengläser dabei zu haben. Immer wenn ein schöner Moment da war, sollte er eines der Gläser aufschrauben, den Duft auffangen, sich das Gefühl dazu merken, das Glas schnell wieder zuschrauben und beschriften. Diese Gläser solle er mitnehmen nach Finnland. In Zeiten starken Heimwehs solle er eines der Gläser öffnen und sich mit dem Duft an den Moment erinnern.«
Der Professor stoppte, erzählte nicht weiter.
»Warum erzählen Sie die Geschichte nicht weiter?«
Er zeigte mir die Beschriftung des Marmeladenglases, das er mitgebracht hatte. Darauf stand: 18. Juli 2014. Nusskuchen und Espresso mit Herrn Grün. Wundervoll.
Er schraubte das Glas auf und hielt es mir hin. Ich konnte nichts riechen. Kein Duft von Kuchen und Espresso.
»Nichts.« Ich schüttelte den Kopf.
Er verabschiedete sich.
Ich dachte lange darüber nach und hatte eine Lösung. Man musste ein Essen zu einer Stimmung kochen. Das war die Lösung. Würde man es wieder kochen, wären auch die Erinnerungen da.
Heute habe ich Auberginen-Involtini mit frischem Salbei zubereitet. Ich hatte dieses Gefühl, den Sommer festhalten zu müssen. Kennen Sie dieses Gefühl?
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Herr Grün kocht Marmelade – Sanddornmarmelade mit Birne und Brombeermarmelade ganz einfach
Herr Grün kocht Marmelade – Sanddornmarmelade mit Birne – ganz einfach
Das Marmeladenkochen habe ich eigentlich spät für mich entdeckt. Der Umweg kam eher über die Chutneys. Da faszinierte mich, dass ich ein Chutney so zu bereiten konnte, dass es genau meinen Aromenvorstellungen entsprach. Das schien mir auch bei den Marmeladen verlockend.
Ich hatte vorher schon mal ein Pflaumengelee gekocht, aber diese Rubrik nicht weiter vertieft.
Die ersten Marmeladen kochte ich letztes Jahr bei meinem Aufenthalt in Westjütland in Dänemark. Das kleine, traumhafte Ferienhaus stand direkt hinter den Dünen. Um uns herum unglaublich viele Sanddorn- und Hagebuttenbüsche, was typisch für diese Landschaft ist.
Ich mag Hagebutten – aber der Sanddorn faszinierte mich. Die sonnige Farbe – der glücklich machende Geschmack:-)
Wie ich vor ein paar Tagen erfuhr, schneiden die Profis auf den Plantagen komplette Zweige ab und entfernen dann die Sanddornbeeren – was wohl daran liegt, dass die Sanddornzweige sehr stachelig ist.
Ich hatte die Beeren mit einem Kamm abgestreift und sie durch ein Sieb passiert.
Den Sanddornsaft habe ich mit Gelierzucker 2:1 für ca. 4 Minuten gekocht, etwas Kardamompulver dazugegeben und die Marmelade in Gläser abgefüllt.
Vor ein paar Tagen war ich in Mecklenburg-Vorpommern und habe den Sanddornladen in Wohlenberg besucht.
Die sehr freundliche Inhaberin ist eine richtige Sanddornexpertin. Die Unterhaltung war sehr aufschlussreich.
Sie erklärte mir auch, dass ihr Sanddornsaft auch noch das ganze Öl enthält, was bei vielen Säften nicht mehr der Fall ist.
Leider, so erzählte sie zudem (ich hate es auch irgendwo gelesen), ist der Sanddorn wegen der Trockenheit der letzten Jahre von Pilzen befallen. Darunter leidet die Ernte. Es wird noch geforscht. Deshalb kann ich hier auch nichts Genaueres berichten.
Ich habe also eine Flasche Sanddornsaft (0,5 L) gekauft und gestern Sanddornmarmelade gekocht – und auch etwas Brombeermarmelade.
Ich mag den Geschmack und auch die Farbe von Sanddorn sehr. Ich finde, Sanddorn macht auch etwas glücklich. Bei mir ist das so. Vielleicht ja auch bei Ihnen:-)
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Mandel-Möhren-Kuchen mit krossem Mürbeteigboden, Vanille-Frischkäsetopping und geriebener Orangenschale
Mandel-Möhren-Kuchen mit Vanille-Frischkäsetopping und geriebener Orangenschale
»Könnte ich auch zuerst die Möhren essen und dann den Mandelkuchen?« Der Professor zog die Augenbrauen ganz weit nach oben und schaute mich fragend, fast flehend an.
Ich musste lachen. Was für eine verrückte Idee. Typisch Caprese.
»Warum wollen Sie das tun? Es ist doch ein Mandel-Möhren-Kuchen.«
»Möhren in einem Kuchen?«
»Ich werde den Kuchen mit Möhren backen. Viele mögen das. Ich auch. Versuchen Sie es doch einmal.«
Er zögerte.
»Sie können natürlich auch nur Espresso trinken. Aber…?«
»Aber? Was meinen Sie mit ›aber‹? Was bedeutet das Aber?« Er wurde nervös.
»Na ja. Eigentlich nichts ›aber‹? Ich backe Ihnen sogar etwas anderes. Was Sie möchten.«
»Nein, das möchte ich auch nicht. Sie arbeiten in der letzten Zeit so viel. Nein. In den Kuchen sollen Möhren. Ich bestehe darauf. Nein. Es soll so sein. Er heißt Mandel-Möhren-Kuchen und basta.« Er machte eine große Geste mit den Armen.
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