In Hamburg schien die Sonne und es war schon recht kalt. Professor Caprese und ich saßen beim Nachmittagskaffee im Kochlabor, aßen Spekulatius-Kipferl und schauten dabei aus dem Fenster.
»Signor Grün, was wollen Sie eigentlich diese Weihnachten kochen? Gibt es wieder ein Menü?«
Ich hatte darüber nachgedacht, und ehrlich gesagt, nicht wirklich Lust auf ein aufwendiges Menü. Ich hatte das ganze Jahr über so viel gekocht.
Der Professor erahnte meine Gedanken und kam mir zuvor. »Wir könnten einen Onkel-Vincenzo-Abend machen.« Er lachte und zwinkerte mir zu. »Mein Onkel Vincenzo hatte in Neapel einen kleinen Papierladen in einer kleinen Seitenstraße in der Innenstadt. Im Souterrain. Wirklich sehr klein. Jedes Jahr, viele Wochen vor Weihnachten, bastelte er einen riesigen und sehr aufwendigen Nikolaus aus Papier, verzierte ihn mit einer Lichterkette und stellte ihn ins Schaufenster. Das wurde über die Jahre eine Touristenattraktion. Sogar ein paar Zeitungen und das Fernsehen berichteten darüber.
Eines Abends, am 22. Dezember, kam ein Mann in den Laden von Vincenzo und bestaunte den Nikolaus. Plötzlich stolperte er und fiel in das Papierkunstwerk. Dabei wurde der Nikolaus komplett zerstört. Mein Onkel, der sonst sehr robust war, weinte fürchterlich. Das Malheur sprach sich schnell herum und es kamen ganz viele Kinder, aber auch Erwachsene, die einen neuen Nikolaus bauten. Das dauerte zwei Tage. Das Ergebnis war sensationell. Viele sagen, es sei der lustigste und spektakulärste Nikolaus, den man jemals bei Vincenzo gesehen hatte. Zum Dank gab es im Laden meines Onkels an Heiligabend Spaghetti und Schokoladencrème für alle. Es war ein wunderbares Fest. Fast alle Kinder waren mit ihren Eltern gekommen.«
Ach, war das eine schöne Geschichte. Ich war begeistert. »Ja, lassen Sie uns einen Onkel-Vincenzo-Abend machen.« Ich freute mich sehr und hatte auch schon eine Idee für eine Schokoladencrème. Sie sollte etwas ganz Besonderes werden.
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Herr Grüns vegetarisches Weihnachtsmenü 2015
Selleriesuppe mit Zitronenöl und Sesamkrokant
∞
Blätterteig-Ravioli, gefüllt mit Thymian-Ziegenkäse,
und Thymian-Johannisbeer-Konfi – dazu: Feldsalat mit Birnen
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Frozen-Yogurt mit weihnachtlichen Gewürzen
und selbst gemachtem Mandarinensirup auf Crêpes
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Die Beerenfalle – selbst gemachter Vanillepudding mit Himbeeren, Blaubeeren und Vanillesoße
Ich hatte die Falle kaum ans Fenster gestellt, da klingelte auch schon das Telefon.
»Signor Grün? Ich kann Sie sehen. Gegenüber. Am Fenster.«
Ich schaute zum Haus des Professors hinüber und sah ein Stück seines Teleskops aus dem Fenster seines Arbeitszimmers ragen.
»Was ist das da am Fenster?« Er klang sehr neugierig.
»Das ist eine Beerenfalle.«
»Eine Bärenfalle? Aber hier gibt es doch keine Bären«, brummte er.
»Funktioniert aber.« Ich lachte.
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