Heute wird im Kochlabor gedünstet, abgelöscht, gewürzt, gekugelt, zerbröselt und gehackt.
Beim Kochen nehmen die Dinge ihren Lauf. Die Hitze setzt Aromen frei. Das Kochlabor atmet.
Das Gemüse ringt beim Reduzieren zunehmend um Flüssigkeit und konzentriert sich auf das Wesentliche.
Professor Caprese hat den Duft gerochen. Er erscheint am Nachbarfenster. Ruft was. Später – denn jetzt wird gekocht.
Aber irgendwann an diesem Tag, und das ist sicher, sitzen wir alle zusammen. Essen, genießen und erzählen uns Geschichten.
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Möhrenkrokant ganz einfach selber herstellen
»Was ist das? Ich kann es in meinem Archiv nicht finden.« Immer wieder scannte Luigi den Möhrenkrokant mit seinen Augen ab. Er hörte nicht auf damit. Es britzelte kurz etwas an seiner Kopfantenne. Dann roch es nach durchgeschmorten Kabeln. Ich öffnete eilig seine Bauchklappe und drückte den Hauptschalter. Er stand still. Ich atmete erleichtert auf. Für einen kurzen Moment musste ich mich sammeln.
Offenbar war das System des kleinen Roboters mit dem Suchen des Möhrenkrokants völlig überfordert.
Ich hatte mir diese Krokantsorte für meinen Möhrenkuchen ausgedacht und sie mit etwas Zimt angereichert. Das gefiel mir sehr gut. Sicherlich konnte man den Möhrenkrokant auch mit Kräutern wie Thymian kombinieren und so für Suppen verwenden. Ich tüftelte weiter im Kochlabor herum und kam zu erstaunlichen Ergebnissen.
Heute möchte ich Ihnen die Basisvariante vorstellen. Aber zuerst muss ich mich um den armen Luigi kümmern.
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Möhrenkuchen mit Möhrenkrokant
»Die ersten Bundmöhrchen sind besonders zart. Sie stammen aus dem Treibhaus. Man muss sie nicht schälen – nur bürsten und waschen. Ihr Grün kann man auch essen. Aber dazu später. Kommen wir nun zu den Wasch- und den Lagermöhren.«
Herr Josele betätigte den Knopf an der Seite des Diaprojektors und gab gleichzeitig dem Dia-Schlitten einen leichten Schubs. Das Gerät stammte aus den 70ern. Er hatte es auf einem Flohmarkt erstanden und war fasziniert. Jede Überredung zu einem komfortableren, tragbaren Computer war zwecklos. »Das Licht. Ich kann die Dias gegen das Licht halten. Die Motive sehen jedes Mal anders aus.«
Er war etwas aufgeregt. Wir hatten überall Zettel ausgehängt und viele waren gekommen. Das Kochlabor war gut besucht. Herr Joseles Vorträge waren legendär. Über den Dynamo, die erste U-Bahn, das unglaubliche Paris oder wie Ameisen miteinander kommunizieren – es war immer spannend, die Fotos grandios. Ich hatte, zum Anlass passend, Möhrenkuchen gebacken. Als besondere Überraschung gab es Möhrenkrokant – ein Experiment der letzten Tage.
Herr Josele hob und senkte die Stimme. Der Dia-Schlitten knarzte. Kurze Dunkelheit. Ein Querschnitt durch eine violette Möhre – der Ur-Möhre. Raunen.
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