Beim Nachmittagsespresso erzählte mir Professor Caprese von seiner Studienzeit in Rom.
Während seiner Anfangszeit lernte er am Campo de’ Fiori, das ist einer von Roms ältesten Marktplätzen, Filippe kennen. Der saß in einer Seitenstraße des großen Marktes auf einem Hocker und hatte eine Schreibmaschine auf dem Schoß.
»Als ich Filippe zum ersten Mal sah, schrieb er sehr konzentriert auf seiner Schreibmaschine. Vor ihm, auf einem weiteren Hocker, saß jemand.« Der Professor lächelte und schien alles genau vor sich zu sehen. »Zwischendurch hörte Filippe mit dem Schreiben auf, kniff die Augen zusammen und betrachtete das Gesicht seines Gegenübers. Dann schrieb er wieder. So ging das eine Weile. Am Ende zog er das Blatt mit einem Schwung aus der Schreibmaschine und übergab es seinem Kunden. Der nahm es, zahlte und verschwand. Eine andere Person nahm seinen Platz an. Ich wartete, bis Filippe aufhörte und seine Schreibmaschine in einen kleinen Koffer packte. Ich sprach ihn an und erfuhr, dass er Gesichtsschreiber war. Er beobachtete Gesichter und schrieb auf, was er wahrnahm – also das, was bei diesen Personen verschüttgegangen war und sie vermutlich selbst vergessen hatten. Talente. Möglichkeiten. Verborgenes. Filippe schrieb nur das Positive auf. Einige seiner Kunden sprachen ihn später wieder an. Nach Wochen, Monaten – sogar Jahren. Dankten ihm. Seine Gesichtsbeschreibungen hatten ihr Leben verändert.«
Also diese Geschichte beeindruckte mich sehr.
»Wie ging es weiter mit Ihnen und Filippe?« Ich war neugierig.
»Er lud mich zum Essen zu sich nach Hause ein. Er ist übrigens ein ausgezeichneter Koch und kochte mir an diesem Tag Spaghetti mit einer Sauce aus Spinat, Tomaten, Rosinen, Mozzarella und einigen anderen Gewürzen. Die waren toll.« Caprese verdrehte die Augen.
Die Freundschaft mit Filippe hat übrigens bis heute gehalten.
Die Spaghetti ließ ich mir genau vom Professor beschreiben. Ist ja klar. Und das ist das Ergebnis: »Spaghetti Filippe«.
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